Tip: 19-96
I n M e m o r i a m
Nachruf auf Rio Reiser
Zum letztenmal sprach ich mit Rio Reiser vor anderthalb Jahren. Da hatte er gerade einen "Tatort" abgedreht, ein neues Album eingespielt, arbeitete an neuen Theatermusiken, hielt gelegentlich Lesungen zu seiner Biographie "König von Deutschland" ab und plante eine Tournee. Auf die Frage, ob er ein Workaholic sei, hat er da nur ungläubig gelacht. Rio Reiser hat nicht gearbeitet, er hat immer nur mit aller Kraft gelebt. Und es fiel nicht schwer mit ihm zu leben. Mit Ton Steine Scherben, die ein Oberschüler einfach für eine Demo brauchte, mit den Brühwarm-Songs, die im "Dschungel" wie selbstverständlich neben Clash und Sex Pistols liefen, und eigentlich auch mit vielem, was er später, während seiner Popkarriere gemacht hat. Weil eben immer seine Seele dahintersteckte. Bitter hat er sich darüber beklagt, daß die Scherben-Fans in ihm bis zuletzt den Polit Rocker sahen und seine Plattenfirma nichts anderes als eine neuen "König von Deutschland" von ihm wollte. Dabei wollte Rio einfach nur er selbst sein. Und das konnte er nur noch in der Abgeschiedenheit seines Bauernhofes in Fresenhagen, wo er am 20. August, ausgelaucht von der letzten Tournee, mit nur 46 Jahren verstarb. Dabei hätte er sich wohl nichts mehr gewünscht, als dort einfach nur ein glücklicher alter Rio Reiser zu werden.
Hagen Liebing
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