Rio Reiser wurde als Ralph Möbius am 9.1.1950 in Berlin geboren. Mit seinen Eltern zog er oft um, Oberbayern - Nürnberg - Mannheim - Stuttgart. Seine Eltern ließen sich dann im Frankfurter Raum nieder. Rio brach die Schulausbildung und die angefangene Fotografenlehre ab, riß kurzzeitig nach Liverpool aus und kehrte 1967 nach Berlin zurück, zusammen mit dem Hoffmanns Comic Theater (HCT), bei dem auch seine beiden Brüder mitmachten. In der Zeit änderte er seinen Namen in Rio Reiser, in Anlehnung an den mehr als 200 Jahre alten Karl-Phillip-Moritz-Roman "Anton Reiser".
Rio war mit 14 Jahren "tödlicher Beatles-Fan", später waren es die Rolling Stones. Er erlernte Klavier, Gitarre und Cello und hatte drei Auftritte mit den Surf-Boys. 1965/66 lernte er Ralph Steitz (der sich später R.P.S.Lanrue nannte) kennen. Zusammnen gründeten sie die Band "Degalaxis" und spielten englische Lieder nach. Aber schon damals überlegten sie, daß es auch möglich sein müßte, deutschsprachige Lieder zu spielen. In dem Theater HCT, das "magisches Theater" machte, wurden Rio Reiser und Lanrue die Hauskomponisten und ausführenden Musiker. Im Sog der APO Zeit entstand ein Ableger, das Lehrlingstheater "Rote Steine", in dem zum großen Teil Arbeiterjugendliche mitspielten. Rio fand den Draht zu ihnen am schnellsten und trennte sich kurzzeitig von HCT.
Im Sommer 1970 machte er wieder bei HCT mit, und nahm zur gleichen Zeit zusammen mit Lanrue, Kai Sichtermann und Wolfgang Seidel, im Tonstudio am Kottbusser Damm, die Single "Macht kaputt, was euch kaputt macht / Wir streiken", auf. Im September desselben Jahres trat die Band, die sich nach einem Zitat des Troja-Entdeckers Heinrich Schliemann benannt hatte ("Was ich fand, waren Ton, Steine, Scherben"), zum ersten Mal auf und produzierte auch ihre erste LP. Zunächst sehr deutlich an der Tradition des Lehrlingstheater angelehnt mit kompromißloser Rockmusik und radikalen, anarchistischen Parolen, wurden sowohl Musik als auch Text von 1974/75 an immer subtiler. Die vierte "schwarze" Doppel-LP war laut Kritik, "die bislang beste deutschsprachige Rockplatte" (Hollow Skai: Rock'n'Roll – Freitag in der BRD, in: EuroRock – Länder und Szenen, Reinbek 1981). Themen wie allgemein-menschliche Entfremdung wurden behandelt, und aus der ehemals skandalträchtigen Politband wurde eine fast normale Rockgruppe. 1985 trennte sich die Gruppe - finanziell am Ende.
Dies war gleichzeitig der Beginn der Solo-Karriere von Rio Reiser. Vorher trat er als Solo-Akteur kaum in Erscheinung, außer bei dem Film "Johnny West" (1977, Regie: Roald Koller). Der Film handelt von Johnny West, der davon träumt, Rockstar zu werden. Rio bekam für die Rolle den Bundesfilmpreis in Gold. Später folgten weitere Filmrollen, u.a. "Die Nacht mit Chandler" und "Total vereist".
Nach anfänglichen Mißerfolgen, wie die 1984 erschienene Single "Dr. Sommer", landete er 1986/87 den ersten großen Hit mit dem "König von Deutschland". Laut "Emma" (9/86) enthielt die LP "Rio I" auch das schönste Liebeslied des Jahres" und "die schönste Auffordung zu strafbaren Handlungen ("Für immer und Dich", "Laß uns das Ding drehen"). Die Grünen stellten sich im Wahlkampfjahr mit dem Slogan und Titel "Alles Lüge" vor. Rio engagierte sich in dieser Zeit in der Anti-Atom-Bewegung, u.a. mit seinen Beiträgen auf dem 5. Anti-Waahnsinn-Festival in Burgengenfeld.
Der Erfolg lag sicherlich auch in der verbesserten Technik, in der professionellen Promotion und nicht zuletzt in Rios Kreativität. Ihm gelang es Elemente des Schlagers zu integrieren, ohne seine Qualität als Texter und Sänger zu verlieren. Die meisten seiner Songs textete und komponierte er selbst, oft half ihm aber auch sein Freund R.P.S. Lanrue.
Für die alten Fans war Rio entweder ein Exempel für die verpönte Anpassung oder eine geniale Fortentwicklung zum "Volkssänger", wie die Frankfurter Rundschau vom 19.5.1990 berichtete. So ist auf der zweiten LP "Blinder Passagier" ein echtes Seemannslied (Übers Meer), ein Kinderlied (Laß mich schlafen) sowie ein Weihnachtslied (Stiller Raum) zu hören.
Der Trend zum Zeitlosen ist auch auf der dritten LP zu vernehmen. So gibt es einen zweiten Teil des alten Scherben-Songs "Mein Name ist Mensch". In dem Song "Sternchen" singt Rio: "Ich singe Dir, Du Stern der blauen Berge /Du bist mein Schiff im Weltenmeer / Wer weiß: Bin ich ein Teil von Deinem Geist". Seine Songs wollte Rio immer als Gesamtwerk verstanden wissen. Dabei war er immer der politische Mensch, der mit beiden Beinen auf der Erde stand. Nicht ganz ohne Grund schrieb Rio die Filmmusik für einen Tatort, der im Pott (Ruhrgebiet) spielte. (1989 für den WDR-Tatort "Der Pott"). Und auch die Oper an der er mitwirkte, war eine über die Französische Revolution.
An den Erfolg der ersten Solo-LP konnte Rio nicht anknüpfen, doch bekam er für die nächste LP viel Lob. 1990 bekam er den "Fred-Jay-Preis", für die besten Schlagertexte, die er für Marianne Rosenberg geschrieben hatte. Rio suchte die Nähe des Schlagers, denn der Schlager ist auch eine Form der Volksmusik. In der Frankfurter Rundschau stand anläßlich der LP "Rio***": "Mal allen Ernstes: Dem wahren und dem echten Heino zum Trotz ist Rio Reiser der einzige, wirkliche deutsche Volkssänger unserer Zeit." Rio reagierte darauf: "Danke, finde ich auch, will ich auch sein. Ein Volkssänger ist im besten Fall einer fürs Volk und aus dem Volk." (FR, 19.5.1990).
Die dritte.LP "Rio***" versammlte 4x3 Songs, ein synthetischer Klangteppich – es brauchte Zeit sich daran zu gewöhnen. Der Song "Zauberland" (... ist abgebrannt und brennt noch lichterloh) wurde 1990 für seine DDR-Tournee quasi zum Motto. Zur DDR fühlte sich Rio auch politisch-privat hingezogen. "Zauberland" waren für ihn auch die sozialistischen (nicht realsozialistischen) Utopien, die es zu retten galt. 1990 wurde er so auch, nach Greor Gysi, das zweitprominenteste Mitglied der PDS. Rio spielte für sie auch auf dem Wahlkampf, vier Jahre zuvor ünterstützte er die Grünen. Auf dieser Tournee zeigte sich Rio in Hochform: "Horch, was kommt von draußen rein" interpretierte er als einen Blues.
1991 erschien seine vierte LP: "Durch die Wand". Statt des synthetischen Teppichs, waren jetzt wieder Rocktöne zu hören. Die Fachpresse sprach ein großes Lob aus. Aber keiner der Titel setzte sich beim Publikum durch. Der einzige Song, der vom Publikum angenommen wurde war "Krieg" (1991): "Der Krieg, er ist nicht tot, er schläft nur, er liegt da unterm Apfelbaum und wartet, ..."
Ende 1992 trat Rio auf dem großen Frankfurter Rockkonzert gegen Ausländerhaß (Heute die, morgen du) auf, zusammen mit Marianne Rosenberg, die er am Klavier begleitete. Für die einen ein Alptraum, für die anderen ein Traumpaar.
1993 erschien das Album "Über alles". Die CD hatte 13 Stücke, wobei die Pause vor dem dreizehnten .Stück 3min20sek lang ist. Der Song "Queen" ist eine Hymne an eine Prostituierte, wobei der Titel auf der CD nur mit einem Hinweis tituliert ist: Matthäus XI, 15. Und wer Augen hat, zu sehen, der liest: "Wer Ohren hat zu hören , der höre." Die Platte ist ingesamt eine gelungene Mischung aus Kitsch und Genialität, vorgetragen mit einfachen Mitteln und mit einer Stimme, über die schon 1987 ein Kritiker schrieb: "Mit Rio Reiser erübrigt sich ... zum erstenmal die in der 70er Jahren beliebte Diskussion, ob die deutsche Sprache zu Rockmusik geeignet sei. Was Rio Reiser sang, war deutsch und gleichzeitig auch wieder nicht. Mit anderen Worten, es fiel nicht weiter auf, daß er deutsch sang, weil es so selbstverständlich daherkam, als stammten die musikalischen Wurzeln des Scherben Rock'n'Roll aus Berlin und nicht aus Übersee. Rios Ruf als Sänger war sprichwörtlich; wenn es einen Konsens inder Szene gab, dann, daß er der erste und für lange Zeit auch der einzige begnadete deutschsprachige Sänger sei." (Albert Koch: "Angriff auf's Schlaraffenland", 1987, S. 57)
Ein anderes Stück (Neun99zig) auf dieser LP handelt vom Konsumterror: "Wenn Du Geld brauchst / Bei der Bank gibt's Geld satt / das kann jeder haben / Der genug davon hat / Und Du nix hast / Und nix Dir nicht langt / Nimm 'ne Wasserpistole / Überzeug Deine Bank". Auch gibt es Stück über das geeinte Berlin – und eine Liebeserklärung. Die taz-Rezensentin schrieb am 27.8.1993: "Verlust ist das Thema, um das alle 13 Stücke kreisen." Weiter schrieb sie daß Rio "zwischen all den Metaphern der Resignation ... auf Widerspruch hofft.". Diese CD hat eine sehr traurige, bluesige Grundstimmung, aber gleichzeitig verbreitet sie viel Mut. Seine Präsenz in den Medien wurde jedoch immer geringer, obwohl es an Kritiker Lob nicht mangelt. "Als Texter zwischen Poesie und Rotzigkeit ist er einer der Besten, wenn nicht die Nummer eins im Lande. Musikalisch überrascht er mit einer Volksmusik (Schreib bloß nicht volkstümliche Musik,warnt Rio) aus Beat, Ventures Gitarren, Westcoast, Shanties und Bob Dylan." (fr, 21.8.1993)
Die CD wurde von Annette Humpe produziert, die auch schon seiner Debut-Single produzierte. Sie löste damit Udo Arndt ab. Lanrue wirkte zum erstenmal nicht mit. Doch bedankte sich Rio auch bei ihm auf dem Booklet, denn die CD enthält ein älteren Song von den beiden zusammen komponierte wurde (Irrenanstalt), ein dezenter Schwulen-Song.
1994 kam die CD "Das Beste von Rio Reiser" heraus – eine Art Zäsur. Auf ihr waren die besten Songs aus den letzten fünf Alben versammelt, ergänzt durch eine Akustik-Version vom "König von Deutschland" mit neuem, aktualisierten Text. Außerdem gab es eine CD-Single Auskopplung mit zwei Akkustik-Stücken: "Der König von Deutschland" und "Übers Meer". Im gleichen Jahr erschien seine Autobiographie "König von Deutschland" schriftstellerisch unterstützt von Hannes Eyber, der die poetischsten Texte zu legendären schwarzen Scherben-LP geschrieben hatte. Thomas Groß schrieb in der taz (8.4.1994): "Die Erinnerung eines Helden sind es wirklich nicht geworden ... eher schüchterne Bekenntnisse einer Wahl-Kreuzberger Nachtigall, durchsetzt mit Kiffertips, Bluesrezepten und allerhand Weisheiten von der Straße – was aber der Wahrheitsfindung insgesamt zugute kommt. Statt eine weitere Legende um das Kreuzberg der wilden Jahre zu stricken, erzählt Rio die Geschichte haarklein: wie alles anfing, dann aber nicht mehr so recht weiterging." 1975 muß es gewesen sein, denn in diesem Jahr enden die Reiser Memoiren. Das heißt nicht ganz, den einen Sprung in das 1986 gibt es noch: der Beginn von Rios Solokarriere. So ist das Buch eine erinnerung an eine Zeit ohne Könige, eine "glaubhafte Erinnerung daran, wie alles im Fluß war, wie nichts sich wirklich auszuschließen schien in diesen antiautoritären Gründerjahren: RAF und Kifferblues, Küchentisch und Straßenfest, Orgasmusschwierigkeiten und Produktionsverhältnisse, Karl May und Karl Marx, selbst Agit-Lyrik und wohlverstandes Christentum" schrieb die taz am 8.4.1994. Eine kulturhistorische Quelle, durch die man verstehen lernt, worin die Faszination mit all ihren Widersprüchen um Rio Reiser und den "Scherben" besteht. Und das plötzliche Ende deutet an, daß was danach kam, war eher grau. Mit diesem Buch stößt sich Rio selbst vom Thron, nimmt sich selber nicht ganz ernst. Der Spiegel schrieb im Oktober 1994 : "Will keiner mehr wissen, wonach die Songs der Band fragten ...? Weckt der Protest ihrer Generation ... nur noch ein besseres Leben nur noch peinlicher Anachronismus?" Im Zeitalter der globalen Umweltkatastrophe gibt es keine Zeit und keinen Raum mehr für Utopien. Raum bleibt höchstens für kleine Spielereien, Zynismen und kleinen Demonstrationen. So sagte Rio Reiser (fast) nichts beim sommernächtlichen Interview mit Thomas Koschwitz, der Rio zu seinen Memoiren befragte und kaum eine vernünftige Antwort bekam. Die Zuschauer hatten den Eindruck eines resignierten Reisers, der keine Lust hatte dümmliche Fragen zu beantworten. Ganz anders bei seinem Auftritt beim WDR, bei dem er sich weitaus kommunikativer gab. Parteinahme für die Öffentlich-Rechtlichen oderlag es nur an seiner Tagesform? Ein Talk-Profi war er jedoch nicht. In Bios Boulevard klappte es mit dem Reden nicht so recht. 1994 gab es keine Tournee, nur ein wenig Wahlkampf für die PDS: Wenn Gysi Kanzler wird, trete ich aus", so Rio in einem Interview für den Spiegel (43-1994). Die PDS schaffte den Einzug ins Parlament.
Am Vorabend der Wahl, am 15.10.1994, gab es im Chemnitzer Schauspielhaus die Uraufführung des Musicals: "Knock out Deutschland". Buch, Regie und Bühnenbild waren von Armin Petras und Philipp Stölzl, die Songs kamen von Rio Reiser. Das Stück handelt vom Boxen (als Metapher für die Kokurrenz im Kapitalismus). Es gibt Sieger und Besiegte, wobei sich das Stück auf die Seite der Looser stellt, was die Dresdner Zeitung (17.10.1994) als oft zu klischeehaft empfindet. In einer dpa Meldung vom 16.10.1994 wurde das Werk als "neues Flagschiff" im Genre Rockmusik bezeichnet, während die taz sich eher zurückhaltend äußert und von einem "kleinen Punktsieg" spricht (18.10.1994). Am 16.2.1995 kam es zu einer weiteren Premiere eines Reisers Musicals. In der alten Synagoge in Essen wurde das Stück "Die Braut der Brüder" uraufgeführt. In einer dpa-Meldung vom 17.2.1995 heiß es, das auf einer Idee von türkischen Jugendlichen beruht und zu der Rio die Musik beitrug: "Vordergründig ein Singspiel, frei nach der "West Side Story", Schillers "Braut von Messina" und einem orientalischen Märchen, um die Liebe zweier Brüder zu dem gleichen Mädchen, das auch noch ihre Schwester ist. Doch damit nicht genug: Während Hasan Arslan zu seiner Nationalität steht, sucht sein Bruder Jusuf Anschluß an die rechte Szene. Zum Schluß eskaliert nicht nur der emotionale Konflikt, auch die Jugendbanden – Türken und Neonazis – rechnen miteinander ab. Durch die Überfrachtung der Handlung bleibt die Auseinandersetzung mit dem Thema Ausländerfeindlichkeit gängigen Schwarz-Weiß-Klischees ...Unter die Haut geht dagegen der mit orientalishenKlängen durchsetzte Titelsong des Musicals. Das engagiert agierende Ensemble hat die Vereinigung von Orient und Okzident schon vollzogen: Mitwirkende aus zwölf Nationalitäten und acht Glaubensbekenntnissen haben dieses ungewöhnliche Stück nach eineinhalbjähriger Arbeit auf die Bühne gestellt. Die Texte schrieb Rios Bruder Peter Möbius nach Vorlagen der Jugendlichen ...".
Am 2.5.1995 wurde der Tatort des BR "Im Herzen Eiszeit" ausgestrahlt. Rio spielte in dem Film den Alt-Anarchisten Kammermeier, der nach 11 Jahren Knast seinen alten Genossen begegnet.Gemeinsam hatten sie eine Bank überfallen, bei dem es einen Toten gab. Während das Diebesgut den Anderen zu ihren Karrieren verhalf, blieb für Kammermeier die Zeit stehen. Er verriet seine Kumpanen nicht und auch nach der Entlassung schweigt er. Keine Rache, kein Neid – aber er empfindet Ekel vor der neuen Zeit. Regie führte Hans Noever, der schon früher mir Rio als Darsteller zusammenarbeitete, und auch die Tatortmusik mit dem Titel "Träume verwehn" stammte diesmal von Rio Reiser. Im Film ist auch ein kleiner Ausschnitt aus einem Scherben-Song zu hören
Gleichzeitig mit dem Film kam auch seine neue CD heraus. "Himmel und Hölle", die auch den Tatort-Titel enthält. Die CD knüpft an Scherben Platten an: Die Auflistung der Titel erinnert an die Anfänge der Graffity-Kunst, das Cover ein wenig an die Stones LP "Their Satans Majestics Request" Neben versponnenen Balladen sind auf dieser CD auch härtester Sound und härteste Texte zu hören. Immer wieder tauchen Worte wie Hoffnug und Sehnsucht auf. Bei dem Lied "Gefahr" liebäugelt der Sänger, wie schon 25 Jahre vorher auf der ersten Scherben LP, mit dem Tod, aber vor allen Dingen mit dem Leben, das noch einmal voll ausgekostet werden will.
In dieser LP spiegeln sich mehrere Trends, die sich überlappen und verstärken. So hat der Hörer den Eindruck, daß der ewig junge Rio alt wird, die Zeiten der gesellschaftlichen Utopien tatsächlich passé sind. Diese CD ist wirklich nicht lustig, wie Rio auch in einem Interview mit der taz vom 31.3.1995 erklärt: "(Ich) müßte lügen, wenn ich sagen würde, daß ich keine Depressionen hätte. Nicht permanent, aber ich komme eben nicht drumherum; ich bin im Moment eher wackelig. Außerdem leben wir ja nun mal momentan nicht tralala in den lustigen Zeiten, da kann man nur versuchen, diese Stimmung aufzunehmen. Das war ja bei den Scherben schon genauso." In "Hoffnung" singt der "König von Deutschland": "Nehmt mir die Krone weg – nehmt sie zurück – ich kann euch nicht führen – denn ich weiß den Weg nicht." Ein taz Interviewer sagt an einer Stelle: "Mir tut der Mensch, der da singt, leid." Rio Antwort: "Das kannste dir sparen, so schlimm ist es nicht. (lacht) Na gut, das ist die Frage, wo bleibt der Himmel, wo bleibt die gute Laune. Aber es ist ja nun auch kein finsterer Grunge. Ich singe düstere Inhalte ja mit einem Lächeln. Es gibt ja – wenn auch nur in geringem Maße – den Ausblick auf ein Happy End." Rio Reiser starb am 20. August 1996 in Fresenhagen.